Buddhismus aktuell

Wir sind unrein!

(Ein „Pamphlet“ gegen Dogmata im Buddhismus)

Der Dharma ist angekommen, in Deutschland. Alle Spielarten suchen sich einen Platz zum „Hinsetzen“. Der Kontakt selbst zu hohen Politikern wird gesucht und von Seiten der Politik
sogar erwünscht. Wir etablieren uns. Wir werden zum Tagesgespräch.
Anders aber sieht es unter den verschiedenen buddhistischen Gruppierungen aus. Mit dem „Umzug“ nach Europa (Deutschland) zogen wohl auch im „Möbelwagen“ der „echten und wahren“ Dharmanachfolge die alten falschen Vorurteile und Bedenken gegen bestimmte Ausrichtungen mit, so als könnte es für den Buddhismus in Europa keinen eigenständigen und von ethnischen und kulturellen Vorbedingungen befreiten Neuanfang geben.
Die Form wird wieder zur Diskussionsgrundlage. Dies hat im Deutschland der „Rechtgläubigkeit“ seit der Reformation eine lange mentale Geschichte. Aber auch meine Form, der ich nachfolge, kennt diese Art der Ausgrenzung in ihrer Heimat (Japan) zu Genüge.
Die Obaku-shu galt zu ihrer Zeit als Reformbewegung des Zen-Buddhismus lange vor Meister Hakuin und wurde vom Shogunat gefördert, um die „ästhetischen, überintellektuellen und unzeitgemäßen Verknöcherungen“ im Rinzai-Zen aufzubrechen, nach dem Motto „Konkurrenz belebt das Geschäft“. Dies war eine verständliche Provokation für alle anderen Zen-Richtungen und wurde mit „Verleumdungen“ und dogmatischen Disputen abgestraft. Als Ingen Ryūki 1654 (1592–1673; chin. Yǐnyuán Lóngqí) und sein Schüler Mokuan Shōtō (chin. Mùān Xìngtāo) die Obaku-shu begründeten, gehörten sie beide der Chan-Tradition an. 1661 hatten sie von der Regierung die Erlaubnis, einen Tempel der Zweigschule Genjū-ha der Rinzai-shū in Uji bei Kyōto zu restaurieren. Das war der Anfang des Mampuku-ji und der Anfang der heftigsten Auseinandersetzungen, die es je im Zen-Buddhismus gegeben hatte.
Die Neuen schienen mit ihrer Shogunats-Nähe, ihrem chinesischen Traditionalismus (die Meister des Haupttempels waren bis ins 18. Jahrhundert Chinesen, der Tempel selbst war ein Zentrum chinesischer Kultur in Japan) und ihren verschieden shōji-Praktiken, die aus dem Tantrischen Buddhismus stammten, äußerst suspekt. Andererseits ging von dieser Schule wegen ihrer Hauptcharakteristika eine gewisse Faszination für viele Japanern aus: Es war „volksnaher Zen“ möglich und dem frommen Bedürfnis, sich dem Zen zu nähern, ohne von seiner „Härte“ zerschmettert zu werden, war Raum gegeben. Trotz des großen Zulaufs gelang es der Obaku-shu wegen der heftigen Angriffe (die Ōbaku-Lehre wie der Post-Sung-Chan gelten gemeinhin als eklektizistisch ) seitens der anderen Schulen erst 1876, im Niedergang des Shōgunats, offiziell als eigenständige Schule anerkannt zu werden. Fast zweihundertzwanzig Jahre Kampf und Rechtfertigungsnot begleitete die Obaku-shu. Ein Zeitraum der beweist, das auch im Buddhismus manche Erkenntnisse Zeit brauchen. Und wäre nicht Kaiser Mejin mit seinem Toleranzedikt gewesen, wer weiß wie lange dann dieser „Kulturkampf“ gedauert hätte?!
Der Buddhismus besitzt eine ungeheure Anpassungsfähigkeit, die trotz aller Schismen und Konzilien seine Vitalität ausmachen, nichtzuletzt weil der Dharma selber einen doch schwer zu reduzierenden und nicht beliebig auslegbaren Kern bildet. Überall dort, wo der Buddhismus Fuß fasste, „verheiratete“ er sich mit den hiesigen Glaubenströmungen, ob in China mit dem Taoismus und Konfuzianismus, in Tibet und Mongolei mit dem Schamanimus (Dämonen und Götterokkultismus), in Indochina und Sri Lanka mit den chiliattischen Monarchien, Indonesien mit den Totenkulten oder Japan mit Schintoismus, überall ging er symbiotische Formalismen ein, ohne sich im Dharma zu verändern. Dies macht die Vielgestaltigkeit und die großartige Differenziertheit im Buddhismus aus und wenn das keine eklektizistische Vorgehensweise ist, weiß ich nicht mehr, was dieser Begriff überhaupt noch auszusagen hat.
Der Buddhismus ist „unrein“, ja er wurde gerade gegen die „Reinheit“ geboren! Gotamo widerstand mit seiner Lehre den brahmanischen Bemühungen über „Reinheitskulte“, „wahre Glaubensriten“, der aufkommenden „Kastenlehre“ und den formalistischen Esoteriken die Definitionsherrschaft über „den einen Geist“ des Menschen (atman) zu erlangen. Es war sein Befreiungsakt aus dem Kreislauf der Wiedergeburten, der nicht nur in Selbstüberwindung, sondern auch in „Religionsüberwindung“ bestand. Auch darum wurde Gotamo immer wieder Zielscheibe brahmanischer Angriffe und opaker Attentate von „unbekannter Seite“. Aus seiner Sicht konnte nichts, aber auch „rein“ gar nichts diesen Geist (den Geist der Buddhanatur) beschmutzen, was ein weiterer Grund war, warum er keine Berührungsängste mit Königen (Politiker seiner Zeit), Gegnern (Priester- und Kriegerkaste) oder eben auch Kranken (Aussätzigen, Trauernden, Hilfesuchenden aller Stände) hatte. Gotamo war den Hohen, wie den Niederen gleichermaßen zugetan. Wie frei dieser Geist wirklich war, drückte einst E´no in seinem Spiegelgedicht aus:

Chan Meister Hui-nengs (jap. E´no, auch Wei-lang) Spiegelkoan:

Im Grunde gibt es keinen Bodhi-Baum,
noch gibt es Spiegel und Gestell.
Da ist ursprünglich kein (einziges) Ding ?
wo heftete sich Staub denn hin?

Dieses Koan reflektiert jene beschriebene Ebene der Leerheit bzw. der Unmöglichkeit der Befleckung der Buddhanatur und ist ein Bekenntnis zur absoluten Freiheit des Geistes von jeglicher höheren oder niederen Gewalt, von Falschheit und Echtheit, von niederen oder hohen Gesinnungen, von Glauben und Ideologie, ja selbst von den fehlerhaften eigenen Gedanken und Reflektionen. Es ist ein Bekenntnis zur absoluten Wandelbarkeit des Daseins.
Und obwohl wir Buddhisten von dieser Freiheit wissen, haben wir sie eben nicht gleichermaßen verwirklicht. Diese Verwirklichung ist die Essenz einer ernst gemeinten Dharmanachfolge. Ab und zu werde ich von meinen Schülern gefragt, warum ich die Dharmanachfolge niedergelegt habe? Ich sitze dann nur da und sage: „Ich bin nicht frei genug! Der Buddhageist ist das Maß aller Dinge für mich, wie kann ich da bestehen?“
Eben, in dem ich frei bin, von aller Dualität bin ich erst frei meiner Natur zu folgen! Bin ich das aber wirklich? Wie verhält es sich denn „Buddhist“ zu sein, zu allen anderen, die es nicht sind? Ist das etwa keine Dualität erzeugende Haltung? Oshima Kawabata Roshi sagte mir zu dieser Frage: „Ein wahrer Buddhist ist kein Buddhist! Wer ein Schwert trägt, lockt auch andere Schwertträger an.“
Immer dann, wenn wir beginnen eine Position einzunehmen, glauben wir auch diese Position verteidigen zu müssen. Das ist die wahre Krankheit unseres Geistes, die Krankheit jeder „Rechtgläubigkeit“, die Gotamo als beispielgebender Vorgänger überwunden hatte und die auch Meister Ingen Ryūki überwinden wollte. Leider geht anscheinend in der Etablierungsphase des Buddhismus in Europa diese tiefgreifende Erkenntnis über Bord, weil man mehr Bekennen als Erkennen will. Es wird darum gewürfelt, wer nun ein „echter“ oder ein „unechter“ Meister ist, wem man vertrauen darf und wer nur ein Scharlatan ist. Allein die gedankliche Haltung, die hinter dieser Suche steckt, ist schon eine fälschliche, weil eine positionierende.
Der Buddhismus ist nicht frei von solchen Positionskämpfen. Da ist z.B. der Dalai Lama, der die Shugden Praxis ausgrenzt, mit der Begründung des Kalamasutta auf Eigenentscheidung, obwohl das Herzsutta mit seiner Leerheitsformel das Gegenteil erwarten lassen würde. Da springen in Hamburg einige Lehrer auf den Zug des „Anti-Islamismus“ auf und verfehlen das Ziel, in dem sie den Islam ablehnen. Da sind die Nichiren-Anhänger, die mit ihrer sektirischen Lust an der „Rechtgläubigkeit“ sich häufig selbst gespaltet haben und andere mit ihrer Vernarrtheit im Lotussutta kirre machen. Da spötteln seit Jahrhunderten Zen-Buddhisten über Tantriker und seit über zweittausend Jahren gibt es eine scharfe Grenzziehung zwischen Theravaddins und Mahayaddins. Und da bin jetzt ich hier im Ornat und kritisiere die Haltungen anderer. Soll das das Produkt einer wahren Dharmanachfolge sein, sieht da irgendjemand etwa den „nicht unterscheidenden Geist der Leehrheit (sunyatta)“?
Und wir Zen-Buddhisten allgemein, was machen wir anders? Schon Rinzai und Obaku machten sich lustig über die Bemühungen „Echtheit“ in der Dharmanachfolge zu belegen. Rinzai nannte einmal einen Meister „Scheißespatel“, weil er ihm ein „Erleuchtungszertifikat“ vorlegen wollte. Und mal ehrlich, E´no hatte keinen Nachfolger bestimmt, was dazu führte, das der Chan-Buddhismus in eine nördliche und eine südliche Schule zerfiel. Wo ist da bitte lückenlose Dharmanachfolge belegt? Warum hat E´no das wohl gemacht? Es gibt eben keine Gütesiegel, so sehr sich auch „Meister“ bemühen, Nachfolge zu belegen und wir uns bemühen, dies zu hinterfragen. Echte Nachfolge besteht eben im Nicht-Nachfolgen, also in der unmittelbaren Verwirklichung der Buddhanatur. Aber wenn man in dieser Welt (Realität) den Dharma weitergeben möchte, ist man automatisch in der Dualität!! Die Koanpraxis ist die Provokation und das Ad Absurdum führen dieser Natur der Dinge, nicht ihr Beleg!
Wenn wir aber hier in Europa den Buddhismus ernsthaft etablieren wollen, müssen wir ihn loslösen dürfen von überkommenden Praktiken anderer Traditionslinien. Wir müssen ihn an unseren Bedürfnissen eklektizistisch formal annpassen können, ohne den Dharma aus den Augen zu verlieren. Gotamo legte einmal fest, wann jemand aus dem Sangha ausgeschlossen werden müsste, bzw. was „Todsünden“ wären. Ich möchte jetzt nicht die ganze Vinaya-Pitaka durchkauen und auf sozialhistorische Widersprüche analysieren müssen und mein Augenmerk eher auf die zwei wichtigsten Bewertungskriterien richten. Gotamo meinte, der müsse aus der Gemeinschaft der Mönche ausgeschieden werden, der den Sangha absichtlich spalten wolle und der, der den Dharma absichtlich verfälsche bzw. zu seinem egoistischen Zwecke missbrauche. Einmal erfuhr Gotamo, dass ein Mönch behauptete, Buddha lehre, es gäbe eine Seele. Er ließ den Mönch zu sich kommen, schollt ihn heftigst (Übrigens einer der wenigen Stellen in der Tripitaka, in der Gotamo emotional mit „Heiligem Zorn“ reagierte), belehrte ihn erneut und hieß ihn ins sangha zurückkehren. Es steht nirgendwo, dass er ihn entließ oder hinausschmiss. So sieht Gotamos ganz pragmatische Seite mit dem Umgang von Dharmaauslegungsfehlern aus. Als sein Cousin Devadatta nicht aufhörte ihn in seinem Führungsstil zu kritisieren, hieß er ihn einen eigen sangha gründen, verbot aber seinen Mönchen nicht bei Devadatta mitzuhören. Er wusste, dass sich die „Wahrheit“ von ganz alleine durchsetzen werde. Und selbst als Ananda es erlauben wollte, ein Frauenkloster zu gründen, war zwar Gotama nicht glücklich darüber, aber er ließ es dennoch geschehen. Gotamo war seiner Zeit weit voraus, nicht nur heute!!
All diese scheinbaren Ungereimtheiten machen die Dialektik des Buddhismus, seine Akkomodation (upaya) bzw. seine Anpassungsfähigkeit aus (Saddharmapundarika-sutra).
Verweigern wir uns dieser Einsicht, werden intolerant, dogmatisch und rechthaberisch, dann verfehlen wir wirklich jede Dharmanachfolge.
Die Aufgabe aller Buddhisten in Deutschland ist zur Zeit die Einheit des sanghas zu bewahren, damit wir als Religionsgemeinschaft, so sehr wir uns innerhalb auch differenzieren und distanzieren, anerkannt werden. Der Buddhismus ist ein Ausweg und keine Einbahnstraße! Feiern wir also unsere Unreinheit in Einheit!

Quelle: Es geht auch ohne Buddha! (Leerreden für einen neuen sangha)


Palikanonmief und Sutrensalat


Unser Meister hat gesagt,…“, „Wahrlich, so steht es geschrieben“ , „Und es rief JHWH“,  „Wahrlich Allah ist mein Herr und das sind seine Worte“, oder aber auch das berühmte “Das  hab‘ ich  gehört“,- wer kennt nicht die glaubhaftmachenden Eröffnungsbezeugungen religiöser Schriften? Und wird das, was darin geschrieben steht durch die Glaubhaftmachung glaubhafter?

Schriften haben eine Geschichte, nicht nur ihrer Entstehung oder Weitergabe. Sie haben eine Geschichte, die weit vor ihrer Entstehung begann. Diese Geschichte ist abhängig von der Sprache, in der die Schrift geschrieben steht, aber auch andere Texte und Geschichten, die vorher in dieser Sprache verfasst worden sind, haben ihre Spuren im Entstehungsprozess hinterlassen. Man spricht in den Textwissenschaften von Intertextualität und von kulturellen Kontexten oder von ideengeschichtlichen Cotexten.

Jede Glaubensschrift unterliegt den Prägungen und Auswirkungen historischer Kontexte, seien sie ideengeschichtlicher, politischer oder sprachlicher Art. Textverständnis ad hoc, ohne das Wissen dieser Zusammenhänge, ist zwar möglich, aber unvollständig und sehr oft irrig. Religiöse Texte beinhalten oft ethische Ansichten. Diese Ansichten sind nicht im “luftleeren Raum“ entstanden, geschweige denn ohne Hintergrund überliefert worden. Sie stehen im Zusammenhang geistiger und moralischer Diskurse, die schon vor ihrem „Erscheinen“ geführt wurden. Und selbst wenn ein Text behauptet, entstanden zu sein durch „göttliche Verbalinspiration“ oder Erleuchtungserfahrung bzw. Visionen, so ist das kein Zeugnis für seine Unanzweifelbarkeit, sondern eher ein Beleg für den Versuch des Autors Unanzweifelbarkeit und Autorität bzw. Echtheit beim Leser zu erzeugen. Bei religiösen Texten ist es immer wichtig, wer der Sender und wer der Adressat ist und wie das Verhältnis zwischen Sender und Adressat zu jener Zeit war, als der Text geschrieben bzw. erstellt wurde.

Der Leser alter religiöser Schriften ist selten der Adressat und wenn es um Lehrinhalte geht, die universell für jeden Nachfolger der Religion gelten sollten, haben sie doch meist einen anderen Entstehungsadressaten. Dieser Fakt gilt im besonderen für die buddhistischen Sutren und ihrem rituellen Singsang.

Muß ich Pali können, um Sutren zu verstehen, bzw. den Dharma?, fragen mich Interessierte und ich sage, „Nicht nur Pali, auch Sanskrit, Mandarin, Koreanisch, Japanisch, Tibetisch und Urdu!“ Und grinse mir eins. Der Palikanon aber auch große Teile der Mahayannischen Schriften sind nur unvollständig erhalten bzw. von einer Sprache in die nächste fragmentarische übersetzend zerlegt worden, so dass ein vollständiges Kompendium der buddhistischen Schriften sich ausmacht wie eine Patchworkdecke. Mönche haben mit Kommentaren und Ideenkämpfen oft ungenießbaren Senf dazu gegeben und an manchen Stellen wurde sogar gefälscht, was das Zeug hielt. Und zu allem Überfluß hat Buddha nichts Schriftliches hinterlassen, sondern nach seinem Tod gab es eine mündliche Tradition der Mönchsgruppierungen, die erst hundert Jahre später eine erste zaghafte schriftliche Niederlegung erfuhr. Was sich so alles im Gedächtnis der Mönche erhalten hatte zwischen Dogmenstreitigkeiten und schulischen Differenzen möchte ich erst gar nicht in Erwägung ziehen. Schon die ersten Mönchsgruppierungen zeigten erhebliche Unterschiede in der Dharmaauffassung und es ist waghalsig zu behaupten, es hätte je einen Urbuddhismus gegeben, um einen festen Grund für Argumente zu erhaschen. Das Schriftum des Buddhismus ist also schwerlich Quelle für Verbürgtheit. Dennoch ist sie wichtig für die Begründung dieser Religion. Wieso? Wir stellen ja auch nicht Evangelien und Evangelisten oder die Torah und den Talmud in Frage und selbst vom Koran können wir nicht mit Sicherheit sagen, dass er  von Mohammed stammt, da  es  ja von Allah in sein Herz geschrieben wurde. Jedenfalls kam der erste Koran 11 Jahre nach dem Tod des Propheten zur Welt. Was wir also glauben oder für bare Münze halten, was Religion nun zur Religion macht, hat oft sehr wenig mit der „wahren“ Geschichte religiöser Texte zu tun. Dies gilt gerade auch im besonderen Maße für buddhistische Texte!

Welche Sprachen muß ich also können, um eine Religion zu verstehen? Keine, außer vielleicht meine eigene und selbst die unterliegt laufend Veränderungen, persönlicher und gesellschaftlicher Art. Falsche Übersetzungen gibt es also nicht, es gibt nur Fälschungen! Die Übersetzbarkeit ist demnach ein Prozess, eine Annäherung und je nach dogmatisch-ideologischer Rechtfertigung holen sich die Übersetzer ihre Übersetzung aus dem Text. So gestatten Exegeten sich den Heiligenschein der redlichen Bemühungen und eine Heerscharr von „Theo-Skripto-Deutologen“ hat Broterwerb durch Deutungshoheit. So sind bei allen möglichen Übersetzungenvariationen  nicht nur Fehler, sondern auch beabsichtigte oder unbeabsichtigte Umdeutungen möglich. Interpretation findet immer zwischen Palikanonmief und Sutrensalat statt. Der Mief entstammt der Dogmatik, der Salat den traditionsgebundenen Fremdprachenübersetzungen.

Aber wie soll man dann bei all diesen Unabwägbarkeiten noch glauben können oder zumindest herausfinden, was denn der Religionsstifter gemeint hat? Ja was hat Gautama denn gemeint, wenn er von Leid sprach und von edlen Wahrheiten? Und wem sollen wir denn vertrauen in seiner Übersetzungen der Worte Buddhas?

Man sollte niemandem trauen, vor allem sich und seinen eigenen versteckten Neigungen nicht. Denn diese Neigungen sind  der ideologische Same jeder Übersetzung. Und sei eine Übersetzung noch so sachlich, es gibt keine sachlichen Übersetzungen. Es gibt auch keine sachlichen religiösen Auffassungen. Unsere Sichtweise, so lehrt Buddha, ist einseitig und durch Verblendung gezeichnet. Ohne Angemessenheit in Praxis und Lehre verliert sich der Dharma in Spekulationen. Diejenigen, die an den Schriften hängen, als einzige Quelle des Dharmas, sind wie Blinde, die ihr Hörgerät loben.

Quelle: Es geht auch ohne Buddha! (Leerreden für einen neuen sangha)